Vom Hörsaal ins Wohnzimmer – und zurück?

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Mit der Pandemie hat sich auch das Universitätsleben schlagartig verändert. Studierende, Professor:innen, Dozent:innen und Backoffice-Mitarbeiter:innen mussten sich in kürzester Zeit auf eine neue Lehr-, Lern- und Arbeitsweise einstellen. Wir haben mit Frau Dr. Solveig Randhahn, Geschäftsführerin der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen, über Learnings und mögliche Zukunftsszenarien gesprochen.

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Frau Dr. Solveig Randhahn, Geschäftsführerin der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen


Frau Dr. Randhahn, wie funktionierte Ihre Organisation während der Krise und wie sind Sie mit den Herausforderungen umgegangen?

Seit dem ersten Lockdown müssen wir permanent mit einer großen Unsicherheit umgehen: Entscheidungen auf politischer Ebene ebenso wie vonseiten der Hochschulleitung werden erst sehr kurzfristig getroffen und für uns bekannt. Gleichwohl liefern sie eine wichtige Grundlage für das Geschehen und die Handlungsspielräume an der Fakultät. Dabei wird erwartet, dass für die verschiedensten Szenarien Handlungsoptionen entwickelt werden, um möglichst flexibel mit eben diesen kurzfristigen Entscheidungen umgehen zu können. Das erfordert eine sehr hohe Dauerbelastung für die meisten unserer Mitarbeiter:innen. Von zentraler Bedeutung für das Krisenmanagement war daher eine intensive Kommunikation in und mit den verschiedenen Bereichen. Dies beinhaltet: Entwicklungen transparent machen und erklären, Fragen diskutieren, Handlungsoptionen abwägen, Sorgen und Ängste von Mitarbeiter:innen ernst nehmen, gleichzeitig lösungsorientiert und pragmatisch agieren, und nicht in einen Lähmungszustand verfallen – das war und ist nicht einfach. 

 

Die Pandemie beeinträchtigte nicht nur die Lehre, sondern auch die Arbeit im Backoffice. Was hat sich seit Beginn der Pandemie in der Arbeitsweise der Verwaltung verändert?

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Die Arbeit wurde fast vollständig in den virtuellen Raum verlegt. Das Verwaltungspersonal musste von heute auf morgen mit Arbeitsgeräten ausgestattet und für das Arbeiten daheim arbeitsfähig gemacht werden. Für viele verwaltungstechnische Prozesse wurden sehr kurzfristig digitale Abläufe geschaffen, die vorher noch nicht vorgesehen waren. Mitarbeiter:innen lernten mit Videokonferenzsystemen umzugehen, digitale Signaturen einzurichten, gemeinsam Dokumente zu bearbeiten usw., d. h. grundsätzlich vollumfassend im digitalen Raum zu arbeiten. Hier ist einiges in Bewegung geraten und es bleibt zu hoffen, dass daran angeknüpft und die Arbeit noch weiter flexibilisiert wird.

 

Zurück zu den Studierenden: Man würde glauben, dass der Digitalisierungsschub für die junge Generation (Studierende) mehr ein Segen als ein Fluch war/ist. Stimmt das?

Die Digitalisierung in der Lehre hat ja nicht erst durch die Pandemie begonnen, sondern es gab sie auch vorher schon. Gleichwohl hat sie natürlich noch einmal ein ganz neues Gewicht erhalten, nicht zuletzt dadurch, dass Studierende inzwischen seit drei Semestern nur virtuell studieren. Mit Blick auf die Entwicklung innovativer Lehr-/Lernangebote ist die aktuelle Lage in der Tat ein Segen, denn die Bereitschaft und Offenheit zum Gestalten und Ausprobieren hat kräftig Anschub bekommen. Der Zugang zu digitaler wissenschaftlicher Literatur, Artikeln und Texten und der wissenschaftliche Austausch auf vielfältigen Plattformen im virtuellen Raum hat sich enorm erweitert. Open Access sei als Stichwort genannt – in diesem Zusammenhang wurden die Möglichkeiten für Forschung und Lehre sehr umfassend erweitert.

Gleichzeitig stellt die gegenwärtige Situation eines Studiums im virtuellen Raum ohne jegliche Präsenz auch eine enorme Herausforderung für die Studierenden dar: Das für ein Studium und die persönliche Entwicklung so wichtige Sozialleben am Campus findet aktuell nicht statt. Prüfungen unter den Rahmenbedingungen der Pandemie zu entwickeln und durchzuführen, ist häufig sowohl für Prüfer:innen als auch für Studierende eine neue und große Herausforderung. Hinzu kommt, dass einige Studierende zuhause keine angemessenen Rahmenbedingungen haben, um «in Ruhe» studieren zu können. Häufig teilen sie ihren Arbeitsplatz mit der Familie, und sind gleichzeitig (wie die Mitarbeiter:innen auch) mit Familienpflichten konfrontiert.  

 

Gemäss verschiedenen Studien wünschen sich viele Mitarbeitende, dass das flexible Arbeitsmodell bestehen bleibt. Besteht dieser Wunsch auch bei den Studierenden, den Lehrkräften und den Mitarbeitenden bei Ihnen in der Verwaltung? Wird sich ein hybrides Arbeitsmodell auch in Ihrem Bereich in Zukunft etablieren?

Das flexible Arbeiten von Daheim oder anderen Orten aus stößt auf große Zustimmung unter den Mitarbeiter:innen und Lehrenden. Es wird gewünscht, dass hierfür auch zukünftig flexible Arbeitsweisen ermöglicht werden. Eine zentrale Voraussetzung für die Verwaltungsmitarbeiter:innen wurde bereits geschaffen: Anfang Oktober trat eine neue Dienstvereinbarung zum Homeoffice in Kraft, die einen deutlich flexibleren und strukturellen Rahmen für die Gestaltung von Homeoffice bietet.

Corona hat uns gezeigt, wie spontan und schnell wir in der Lage sein können, vom scheinbar «Normalen» abzuweichen und Dinge anders zu machen. Ich hoffe, dass wir uns diese Flexibilität und den erforderlichen Mut zum Handeln für die Zukunft bewahren.

Gleichzeitig ist die Universität Duisburg-Essen eine Präsenzuniversität. D.h., insgesamt findet das Studium an der Universität vor Ort an den beiden Campus in Duisburg und Essen statt. Das schließt nicht aus, dass Lehre auch digital erfolgen kann. Ganz im Gegenteil: Es geht nunmehr sehr stark darum, wie man die Vorteile aus beiden Welten sinnvoll miteinander kombinieren kann und Studium und Lehre in geeigneter Weise weiterentwickelt, so dass die Studierenden bestens auf die zukünftige Arbeitswelt vorbereitet werden. In der Theorie ist die Idee von «hybriden Lehr-/Lernmodellen» schon lange nichts Neues mehr. Wie gelingt es jedoch, eine Campusinfrastruktur und eine Lehrplanung aufzubauen, die genau solche Überlegungen ermöglicht, so dass Studierende selber entscheiden könnten, ob sie im Hörsaal oder von einem anderen Ort aus an der Lehre teilnehmen. In diesem Zusammenhang steht uns noch ein großer Lern- und Entwicklungsprozess bevor – genau dafür ist eine innovative Universität aber ja vielleicht auch einfach der richtige Ort.

 

Was bedeutet «Normalität» heute für Sie? Und wie stellen Sie sich den Universitätsalltag in naher Zukunft vor?

Corona hat uns gezeigt, wie spontan und schnell wir in der Lage sein können, vom scheinbar «Normalen» abzuweichen und Dinge anders zu machen. Ich hoffe, dass wir uns diese Flexibilität und den erforderlichen Mut zum Handeln für die Zukunft bewahren. Weniger ein Denken in «Das geht nicht»-Mechanismen, sondern gestaltend und lösungsorientiert. Ich wünsche mir, dass der Campus wieder ein Ort der direkten Begegnung wird für Studierende, Lehrende und Mitarbeiter:innen. Gleichzeitig nutzen wir dabei den virtuellen Raum, um innovative Lehr-/Lernangebote zu schaffen, Forschungsfragen zu behandeln und Servicestrukturen bereitzustellen, die für gute Lehre und Forschung erforderlich sind.